Corporate Influencing: Authentische Markenbotschafter:innen für erfolgreiches Employer Branding.
Tanja Fiedler, Lisa Geisler und Maritta Seitz
17. Juli 2024
Authentizität ist der Schlüssel zu erfolgreichem Employer Branding. Um authentisch auf dem Arbeitsmarkt aufzutreten, lohnt es sich für Unternehmen, transparente Einblicke zu bieten. Einerseits durch offene Kommunikation, über Themen wie Kultur, Erwartungen, Gehalt. Andererseits durch Mitarbeiter:innen, die als Corporate Influencer:innen ihr persönliches Bild des Arbeitsplatzes teilen.
Corporate Influencing ist aktuell in aller Munde – unsere Employer-Branding-Expertinnen Lisa Geisler und Tanja Fiedler erklären, warum es sich für Unternehmen lohnt, Corporate Influencer:innen zu fördern. Wie wählen Arbeitgeber:innen geeignete Mitarbeitende aus und wie vermeiden sie böse Überraschungen? Nachzulesen im Interview.
Maritta: Was sind Corporate Influencer:innen?
Lisa: Corporate Influencer:innen sind Markenbotschafter:innen, die Unternehmen mit ihrer ganzen Persönlichkeit repräsentieren. Menschen, die aus ihrer eigenen Perspektive, mit ihren ganz persönlichen Erfahrungen, über das Unternehmen sprechen, für das sie arbeiten.
Menschen vertrauen Menschen und das gilt für die Erfahrung mit Produkten genauso wie für die Erfahrung mit dem arbeitgebenden Unternehmen.
Corporate Influencer:innen bieten Menschen außerhalb des Unternehmens die Möglichkeit, sich mit den Menschen im Unternehmen zu verbinden – und nicht einer gesichtslosen Entität. Dadurch entstehen Nähe und Vertrauen.
Maritta: Wo treten Corporate Influencer:innen auf?
Lisa: Das fängt bei der Unternehmenswebseite und den Social-Media-Kanälen eines Unternehmens an, ob jetzt LinkedIn, Instagram, YouTube oder TikTok. Wenn ich da mit echten Menschen konfrontiert werde, mir ein Gesicht entgegenlacht, kann ich ein Gefühl bekommen, wie das Unternehmen tickt.
Und dann geht es natürlich weiter auf den privaten Kanälen, wo Mitarbeitende dann zum Beispiel auf dem eigenen LinkedIn-Account über das Unternehmen sprechen, bei dem sie arbeiten. Corporate Influencer:innen treten auch auf Konferenzen auf und in Panel Talks oder können bei Karriere-Events dabei sein.
Maritta: Was haben Unternehmen davon, Mitarbeitende als Corporate Influencer:innen zu etablieren?
Tanja: Corporate Influencer:innen sind vor allen Dingen Inspirationsquellen für Menschen, die auf Jobsuche sind oder die ihren Job wechseln wollen. Teil unserer HR-Kampagne für Grant Thornton war eine Gruppe von Menschen, die wir als Testimonials eingesetzt haben in Form von Videos, aber auch in Textform auf der Website.
Es gibt diese Idee von „Du kannst nur das sein oder werden, was du siehst“.
Deshalb haben wir bewusst Leute als Corporate Influencer:innen gesucht, die in der Lage waren, uns zu erzählen, was es bedeutet, als alleinerziehende Mutter Karriere zu machen. Oder was es bedeutet, bei Grant Thornton zu arbeiten als Nicht-Muttersprachler. Oder in der Ausbildung zu sein und wie man dabei betreut wird.
Unser Ziel war es, Möglichkeiten zu zeigen, die inspirieren und die sogar Vorbild sein können.
Maritta: Was können Testimonials neben Inspiration noch leisten?
Lisa: Der Vorteil von Testimonials ist, dass sie die Möglichkeit bieten, wirklich in einzelne Themen hineinzuzoomen und vielleicht sogar persönliche Interessen einfließen zu lassen – ohne den Anspruch aus der übergeordneten Unternehmensperspektive sprechen zu müssen. Das ist auch, was Corporate Influencer:innen zu wirklich authentischen Botschafter:innen macht und eine ganz besondere Nähe erzielt.
Maritta: Was für Themen können das zum Beispiel sein?
Tanja: Corporate Influencer:innen können die unterschiedliche Lebens- und Arbeitsrealitäten in einem Unternehmen abbilden. Dazu gehören auch Themen wie Diversity am Arbeitsplatz – Diversity im Sinne von unterschiedlichen Kulturen, unterschiedliche Altersgruppen, LGBTQ+.
Bewerbende fragen sich: Kann ich mit meiner Lebensrealität bei dieser Unternehmung wachsen? Werde ich angenommen? Kann ich mich entfalten? Indem Unternehmen durch Corporate Influencing unterschiedliche Lebensrealitäten zeigen, sprechen sie auch eine Einladung aus an Menschen, die sich mit den jeweiligen Lebensrealitäten identifizieren.
Maritta: Und was ist mit Unternehmen, die noch gar nicht so divers aufgestellt sind?
Tanja: Solche Unternehmen sollten ehrlich darüber berichten, wo sie gerade stehen in der Entwicklung. Und auch hier können sie eine Einladung aussprechen an Menschen, die dazu beitragen sollen, dieses Thema weiter voranzubringen mit der Unternehmung gemeinsam. Dann sind wir wieder im Bereich der Unterscheidbarkeit durch Authentizität. Und Unterscheidbarkeit ist für Menschen auch Jobsuche extrem wichtig.
Maritta: Wie bekommt man als Unternehmen die eigenen Mitarbeitenden dazu, als Corporate Influencer:innen aufzutreten?
Tanja: Für Unternehmen ist es dann leicht, Corporate Influencer:innen zu gewinnen, die wirklich Bock haben, über ihre Erfahrungen innerhalb des Unternehmens zu sprechen, wenn sie positive Erfahrungen gemacht haben. Wenn sie sich wohlfühlen, wenn sie wachsen können, wenn sie wirksam sein können und wenn sie Spaß haben.
Wenn du diese Menschen findest und ihnen den Raum gibst, über ihre Erfahrungen, über ihre Arbeitsrealität zu sprechen, dann bekommst du auch diese Authentizität. Dazu gehört aber auch, dass du den Menschen den Raum gibst, über Dinge zu sprechen, die sie nicht gut finden oder die sie verbesserungswürdig finden. Und das alles in ihrer eigenen Sprache.
Maritta: Was genau meinst du mit der eigenen Sprache?
Tanja: Wenn du beispielsweise ein Video drehst, dann musst du als Unternehmung bereit sein, die Sprache der Menschen auszuhalten. Du kannst nicht irgendwelche Texte auswendig lassen, Skripts vorlegen oder Einschränkungen machen.
Unternehmungen müssen es aushalten, dass auch Dinge erwähnt werden, die aktuell nicht so gut laufen, weil gerade darin die Kraft der Authentizität liegt.
Maritta: Kann jede/r Mitarbeitende Corporate Influencer:in werden?
Lisa: Eine Voraussetzung ist bestimmt, wie stark sich Mitarbeitende mit der Unternehmenskultur verbunden fühlen und wie stolz sie darauf sind, für ein Unternehmen zu arbeiten. Je stärker die Verbundenheit, desto gewillter sind Menschen, das auch nach außen zu repräsentieren und darüber zu sprechen.
Maritta: Wie kann man Mitarbeitende motivieren als Botschafter:innen aufzutreten?
Lisa: Ein wichtiger Faktor ist Zeit. Unternehmen müssen ihren Corporate Influencer:innen ausreichend Zeit und den Raum geben, um auch in dieser Rolle anzukommen. Das geht nicht von heute auf morgen, das schafft man auch nicht so neben dem normalen Arbeitspensum. Corporate Influencing muss also entsprechend entlohnt oder incentiviert werden.
Neben der Wertschätzung braucht es auch ein paar Handwerkssachen. Zum Beispiel Schulungen oder mediale Coachings, wie man mit den verschiedenen Medien am besten umgeht. Oder wie man sich im Fall von Kritik verhält, damit man gewappnet ist, auch darauf angemessen zu reagieren.
Maritta: Wie wählt man als Unternehmen die richtigen Mitarbeitenden für die Rolle als Corporate Influencer:in aus?
Tanja: Ein gutes HR-Team ist in der Lage, Menschen so auszuwählen, dass sie auch wirklich eine Bandbreite repräsentieren. Dass man Menschen hat, die zum Beispiel Familie und Beruf miteinander kombinieren, jüngere Menschen, die gerade ihre Karriere aufbauen und ältere Menschen, die vielleicht einen ganz anderen Anspruch oder einen ganz anderen Blick auf ihren Arbeitsalltag haben.
Maritta: Und wie vermeidet man böse Überraschungen?
Tanja: In guten Vorgesprächen kann man verstehen, wo diese Menschen Herausforderungen sehen, wo sie Schwierigkeiten sehen, wenn es beispielsweise um Überstunden geht, um Digitalisierung, um Teamstrukturen. So weiß das Unternehmen sehr genau, mit was es rechnen muss, wenn sie vor die Kamera treten.
Wenn du das zulässt, hast du eine Unternehmenskultur, in der Ehrlichkeit gelebt wird. Man weiß sehr gut, was funktioniert, was nicht. Es sind also keine Überraschungen. Es wird nichts unter den Teppich gekehrt, weil diese Unternehmenskultur, wie gesagt, auf Ehrlichkeit beruht.
Unternehmen, die Mitarbeitende gewinnen wollen, profitieren von Corporate Influencing genauso wie Menschen auf Arbeitssuche. Klartext schafft die richtigen Verbindungen. Corporate Influencer:innen tragen dazu bei, ein realistisches und glaubwürdiges Bild von Unternehmen nach außen zu tragen. Sie inspirieren potenzielle Mitarbeitende, indem sie ihre eigenen Geschichten und Perspektiven teilen. Und bauen Vertrauen auf, wenn sie den Freiraum haben, auch verbesserungswürdige Themen anzusprechen.
Weitere Hebel für authentisches Employer Branding teilen unsere Expert:innen in diesem Interview.